Traumpfad: als Anfänger über die Alpen?! Teil 5
Tag 17
Die Friesenbergscharte… Eine/r von uns hatte in den vergangenen Wochen ausreichend Zeit, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie dieser Abschnitt der Etappe vom Tuxerjochhaus zur Olperer Hütte bewältigt werden kann.
Die Friesenbergscharte ist nämlich eine ganz besondere Schlüsselstelle: aufgrund der klimatischen Gegebenheiten (Höhe und unmittelbare Nähe zum Gletscher) ist man den Wetterverhältnissen sehr ausgesetzt und kann die Stelle somit nicht immer sicher passieren.
Da sie häufig von Schnee und Eis bedeckt ist, wir aber fest eingeplant hatten, diesen Wegabschnitt zu gehen, durfte Deedee bereits mehr als 300 km die Grödeln mit einem Gewicht von insgesamt einem Kilo durch die Gegend schleppen.
Eine Fotokollage, die der Wirt des Tuxerjochhauses als möglichen Denkanstoß für die Wanderer erstellt hatte, hing recht präsent direkt neben der Tür zu unserem Zimmer und war geradezu angsteinflößend. Da stand etwas von Blockaden und Freunden und Bergrettung, falls die Freunde einem nicht mehr unter die Arme greifen konnten.
[Vicky] Da musste ich erstmal schlucken. Meine Zweifel stiegen mit jeder Sekunde, in welcher ich auf die Fotokollage starrte. Tatsächlich bekam ich sogar Angst und großes Unwohlsein. Zunächst scherzten wir darüber, dass ich Angsthase den Weg nicht gehen mag und ab und zu äußerte sich Deedee auch mal wieder mit einem lockeren „easy“ zu diesem Wegabschnitt. Irgendwann wurde unser Gespräch ernst. In diesem Moment gelangte ich fast zu der festen Überzeugung, dass für mich wohl nur die Umgehung der Friesenbergscharte infrage kam. Wir sprachen darüber, wie groß diese Herausforderung war, die es für mich, Alpenneuling, zu überwinden gab. Obwohl Deedee mich bei meiner Entscheidung, unabhängig davon, wie diese ausfallen würde, bestärkte, kränkte mich die Tatsache, schon wieder eine Umgehung des geplanten Weges zu gehen.
An dieser Stelle stand ich also vor der Aufgabe, meinen Ehrgeiz und meine Ambitionen, den „wahren“ Traumpfad zu gehen, sowie meine nicht grundlose Unsicherheit abzuwägen und nicht nur eine Kopfentscheidung zu treffen, sondern auch auf mein Bauchgefühl zu hören.
Nach einer unruhigen Nacht, dem wiederholten „Ja, lass uns auf dem Weg entscheiden, ob wir über die Friesenbergscharte gehen oder die Abzweigung ins Tal nehmen“ und dem ständigen „Also eigentlich würde ich das ja schon gern machen, ich bin doch körperlich total fit“ gelangten wir nach einer gewissen Zeit an die Stelle, wo der Weg sich teilte und wir eine Entscheidung treffen mussten.
Als wir an der Weggabelung ankamen, war uns eigentlich schon beiden klar, dass wir nicht über die Friesenbergscharte gehen wollten. Ein kurzer Blick, ein knappes Nicken reichten zur Verständigung aus und wir liefen talabwärts Richtung Hintertux. Nach wenigen Metern drehten wir uns noch mal um und sahen, wie die Schwaben wild diskutierend an dem Wegweiser standen. Sie waren sich wohl noch nicht einig, ob sie sich den gefährlichen Weg antun wollten, oder nicht. Aber nach kurzer Unterhaltung stapften sie mutig Richtung Scharte hinauf. Wir drückten ihnen fest die Daumen und beobachteten die Wolken über den Bergen.
Für uns ging es bei schönem Wetter erst über Forstweg, aber bald schon über einen bezaubernden kleinen Pfad angenehm bergab. Auf einer Bank schauten wir immer wieder zum Gletscher hinauf und fragten uns, wie es den Vieren wohl geht. Dabei drehte ein Adler über uns seine Runden. Wäre dort nicht die weniger anmutende Seilbahn, wäre es geradezu malerisch gewesen.
In Hintertux angekommen nahmen wir den Bus, der uns erst nach Mayrhofen und dann zum Schlegleisspeicher brachte. Bei letzterem Wegabschnitt wusste man manchmal gar nicht, was gefährlicher war: diese Busfahrt, oder die Überschreitung der Friesenbergscharte zu Fuß 😀
Der Weg vom türkisfarbenen Stausee hinauf zur Olpererhütte war sehr schön. Zum Teil schon steil, aber gut machbar. Da man mit dem Auto bis zum See fahren kann, ist dieser touristisch gut erschlossen, um es mal nicht allzu böse klingen zu lassen. Dementsprechend war der Weg zur Olpererhütte auch gut besucht.
Oben auf der Hütte angekommen genossen wir die Sonnenstrahlen auf der großen Terrasse inmitten vieler Tagestouristen und der vielen Tiere, die hier oben wohnten: Gemsen, Hühner, Hunde,…
Wir bekamen einen Schlafplatz in dem Winterlager, welches neben der eigentlichen Hütte stand.
Gespannt warteten wir auch auf die Ankunft der schwäbischen Viererkette. Und tatsächlich kamen sie lebend, wenn auch fluchend und geschockt von ihrer Tour an. Sie sagten zu unserer Entscheidung, dass wir nicht diese Route gewählt hatten: „Alles richtig gemacht.“ In ihrer lustigen Art berichteten sie davon, wie steil und ausgesetzt es war und dass sie sich am liebsten in den Drahtseilen festgebissen hätten 😀
Nach einer heißen Dusche, einem guten Abendessen und der herrlichen Aussicht aus dem Panoramafenster ging es dann ins Bettchen. Gute Nacht!
Am nächsten Tag wollten wir nach Stein wandern und mussten dabei den „Todesbach“ überqueren. Welcher „Todesbach“? Wieso „Todesbach“? Das erfahrt Ihr bald hier:
Traumpfad: als Anfänger über die Alpen?! Teil 6