Traumpfad: als Anfänger über die Alpen?! Teil 1
Tag 1
Unsere Reise startete schon gegen 3 Uhr morgens am Dortmunder Hauptbahnhof. Die Nacht war also kurz und an Schlaf war aufgrund der Aufregung kaum zu denken.
Unsere Route führte über Mannheim und München und sollte in Bad Tölz, dem Start unserer Wanderung, enden. Da unser Urlaub leider auf drei Wochen begrenzt war, haben wir die Wanderung in 19 Etappen geplant, welche nur die reinen Alpen-Etappen von Bad Tölz bis Belluno beinhaltet. Da sich aufgrund von einem Zugausfall unsere Ankunftszeit um eine Stunde nach hinten verschoben hatte, beschlossen wir, bis Lengrieß zu fahren und die erste Etappe somit von 20 km auf 14 km abzukürzen.
Leider begrüßte uns schon unterwegs der Regen, was uns aber zunächst nicht abgeschreckt hat.
Freudig stapften wir mit unseren Rucksäcken und Stöcken den nicht sichtbaren Bergen entgegen. Trotz Regen kamen wir gut voran, dennoch war die Kälte sehr ungemütlich und die Freude auf das Ankommen in der warmen Hütte stieg mit jedem Schritt.
Einige Stunden wanderten wir auf breiten und nicht allzu steilen Fahrwegen, kamen an einem mini-Wasserfall vorbei und begegneten einer Rehfamilie. Ein schönes Bächlein begleitete uns stetig auf unserem Weg. Etwas später kamen wir an eine saftige und matschige Kuhwiese, über die der Weg weiter verlief. Ab hier wurde es immer steiler und steiniger. Und schmaler. Wir steuerten auf die massive Benediktenwand zu, die man aufgrund des dichten Nebels nur erahnen konnte.
[Vicky] Während der Wanderung fand ich das ziemlich schade, nichts von der Berglandschaft sehen zu können. Im Nachhinein beschloss ich, dass es vielleicht ganz gut war, denn andernfalls wäre ich von dem Anblick der bedrückend großen, überwältigenden Berge völlig erschlagen worden. Der Weg war schon so aufgrund von felsigen, steilen, schmalen und rutschigen Pfaden ziemlich herausfordernd für mich. Das Wetter machte mir in dem Moment noch weniger Mut. Deedee war mit aufmunternden Worten (so was wie: „Ich glaube, da oben ist die Hütte schon, ich höre Menschen“ oder „Ich kann das Bier schon schmecken“) stets bei mir 🙂
Ich hatte allerdings eine einzige Sorge, und zwar die, nicht aufgrund von einem falschen Tritt wieder unten bei den Kühen zu landen! Durch den rutschigen Untergrund litt meine Trittsicherheit sehr und ich stellte fest, dass mir die steilen, verblockten Pfade schon jetzt Schwierigkeiten bereiteten, da ich offensichtlich meinen Füßen nicht so ganz vertraute und jeden Schritt auf Standfestigkeit überprüfen musste. Bereits da kam ich an meine Grenzen und musste diese überschreiten, weil ich vorankommen wollte. Mein Körper verkrampfte sich und leider stieg die Unsicherheit mit jedem instabilen Tritt. Also nahm ich mir immer mal wieder einen kurzen Moment Zeit, um durchzuatmen. Aber bloß nicht nach unten sehen!
Die letzten 2 km ging es dann über verwurzelten und glitschigen Waldboden bergab Richtung Tutzinger Hütte, die auf etwa 1320 m liegt. Wir erreichten völlig durchnässt mit unseren völlig durchnässten Rucksäcken die Tutzinger Hütte mit Nicht-Blick auf die Benediktenwand, denn die hüllte sich in Nebel. Zuallererst belohnten wir uns mit einem Ankunftsradler.
Ich konnte nicht glauben, was heute geschehen war und auf welchen Wegen wir unterwegs gewesen waren. Mich erschreckte plötzlich die Tatsache, in den Bergen zu sein. Vielleicht war es doch leichtsinnig von mir, hier ohne Bergerfahrung auf Wanderschaft zu gehen? Vielleicht war ich ja gar nicht in der Lage, eine Alpenüberquerung zu Fuß zu machen und habe mich nicht genug damit auseinander gesetzt, was mich erwartet und was mir die Tour körperlich aber auch psychisch abverlangen wird?
[Deedee] Ich war heute gleich mehrfach überrascht. Zum einen, wie anders ich diese Etappe im Vergleich zu vor zwei Jahren wahrgenommen habe. Vor zwei Jahren hatte ich mir fast jeden Abend auf dem Traumpfad in mein kleines Büchlein geschrieben: „alles easy“. Hätte mich jemand gefragt, wie ich die Etappe Bad Tölz –> Tutzinger Hütte bewerten würde, hätte ich gesagt: „sehr leicht, Kinderkram, wer dort schon Probleme hat, sollte am besten gleich wieder nach Hause gehen.“ Gut, vor zwei Jahren war es trocken, eine tolle Sicht, die Bergschuhe hatten immer guten Grip. Heute würde ich sagen: „Kommt auf das Wetter an.“ Auch, wenn ich keinerlei Probleme hatte, muss ich gestehen, dass der Weg bei Nässe doch um ein Vielfaches schwieriger zu bewältigen ist. Denn durch die großen Felsbrocken im oberen Teil werden die gezwungenermaßen großen Schritte durch den Regen sehr rutschig und man muss doch schon trittsicher sein, bzw. seinen Tritten vertrauen. Ich konnte gut nachfühlen, dass es für Vicky eine große Herausforderung darstellte, ohne jegliche alpine Erfahrung hier bei Regen hoch zu steigen. Was mich aber auch sehr irritierte war, wie sehr man selber einen Weg neu bewertet, wenn man mit jemandem unterwegs ist, der Probleme mit dem Weg hat. Statt wieder darüber hinweg zu ‚rennen‘ und abends ins Büchlein zu schreiben: „yo, easy!“, denkt man auf einmal: „ja, stimmt, ist wirklich sehr rutschig… gar nicht so einfach…“. Aber diese Erfahrung sollte ich an anderer Stelle noch viel vehementer machen…
Gegen 18.30 Uhr gab es dann das wohlverdiente Abendessen bei netter Atmosphäre in der Hütte, inklusive Gitarrengeklimper 🙂
Nach diesem ersten Tag waren wir so erschöpft und ausgepowert, dass es recht schnell ins kuschelige Bettchen ging.
Tag 2
Am nächsten Morgen starteten wir nach einer sehr erholsamen Nacht und einem ausgiebigen und leckeren Frühstück in die nächste Etappe. Der Weg sollte uns auf die Benediktenwand (1801 m), den ersten Gipfel unserer Tour, führen. Bereits aus dem Fenster des Gastraumes sah man die riesige Felswand, die vor uns in die Höhe ragte.
[Vicky] Ich staunte nicht schlecht, weil ich sie jetzt endlich zum ersten mal sehen konnte. Je länger ich allerdings darauf starrte, umso mulmiger wurde mir. Ich wollte den Aufstieg dennoch probieren, denn ca. 30 Min. von der Hütte entfernt gab es immer noch die Möglichkeit, den Schwanz einzuziehen und auf den Weg nach Jachenau abzuzweigen, ohne auf den Gipfel zu steigen. Wir gingen also los. Der Tag begann nebelig und feucht, zumal die Kleidung vom Vortag nicht komplett getrocknet war. Dennoch freute ich mich auf das Wandern, auf atemberaubende Aussichten und ein bisschen auch auf die körperliche Challenge.
Der Weg führte, wen wunderts, recht steil bergauf. An der Abzweigung angekommen stellte ich fest, dass noch was ging und wir entschieden uns für den Aufstieg. Auf sehr glatten und rutschigen Felsbrocken ging es langsam, sehr langsam hoch. Dabei waren die Stöcke sehr hilfreich und halfen mir, auf diesem unwegsamen Pfad das Gleichgewicht zu halten.
Erst kurz bevor wir das Gipfelkreuz erreichten, konnten wir es erblicken. Da standen wir nun, auf dem ersten, richtigen Gipfel meines Lebens! Und sahen… nichts!!!!
Deedee erzähle was von „Aussicht hier“ und „Aussicht da“ und „dort kann man eigentlich das und dies sehen“, aber von Aussicht leider keine Spur. Keine Belohnung für so viel Einsatz und Anstrengung 🙁
Aufgrund der Wetterverhältnisse haben wir oben keine lange Rast gemacht. Nach ein paar Schnappschüssen und entspannten Atemzügen schlugen wir den Weg nach unten ein.
[Vicky] Dieser war fast noch härter und anstrengender, als der Aufstieg. Zwischendurch meldete sich immer mal wieder mein Kopf zurück, was mir an manchen Stellen jeden Schritt erschwerte. Ich merkte erst kurz vor dem Etappenziel, wie extrem sich mein Körper verkrampfte, denn meine Muskeln begannen zu schmerzen.
Der Weg, der die meiste Zeit an einem stark strömenden Bach entlang führte, verlief auf schönen Waldwegen. Nachdem man den Wald verlassen hatte, waren einige schwierige und teils ausgesetzte Passagen zu überwinden. Jetzt verwandelte sich der Bach in einen wunderschönen Wasserfall und wir kühlten unsere dampfenden Füße darin ab 🙂
Aufgrund des sehr, sehr langsamen Abstiegs von der Benediktenwand erreichten wir Jachenau erst gegen 16.30 Uhr und entschieden uns, eine Pause inklusive einer kalten Cola einzulegen. Da unser Etappenziel aber Vorderriß sein sollte, mussten immer noch etwa 6 km zurückgelegt werden. Wir entschieden uns, an diesem Tag nicht mehr weiterzulaufen, und fanden eine kleine, gemütliche Unterkunft in einem Bauernhof. Es gab genug Erlebnisse zu verarbeiten und zu reflektieren, wofür wir uns gern die Zeit nehmen wollten.
Tag 3 – oder: der Tag, an dem man endlich Berge sah 😉
Um die verlorenen Kilometer des Vortages wieder aufzuholen und die Reservierung im Karwendelhaus nicht verfallen zu lassen, fuhren wir mit dem Bus nach Hinterriss. Dort starteten wir bei herrlichem Wetter den Aufstieg zum Karwendelhaus.
Zum ersten mal konnte man endlich Berge sehen: die Riesen des Karwendelgebirges. Beeindruckend! Oder, wie wir es zu nennen wissen: beängstigend schön 🙂 Der Weg führte stets bergauf, aber auf lockeren und sicheren Wegen. Und ohne ausgesetzte Stellen, die Unsicherheiten bereiteten.
[Vicky] Das einzige Problem waren meine Oberschenkel. Durch die mörderischen An- und Abstiege am Tag zuvor taten mir die Muskeln so extrem weh, dass jegliches Hinhocken (*zwinker*zwinker*) eine schmerzhafte Herausforderung war und Treppen steigen ging ebenfalls nur langsam und schmerzhaft.
Das Karwendelhaus beeindruckte durch seine wunderschöne Lage direkt am Hang, mit atemberaubender Aussicht zu jedem Punkt rundum.
Nach dem Einchecken und frisch machen gab es außerordentlich leckeres Essen. Mjammi.
Später haben wir draußen auf der Terrasse mit einem Wanderer gesprochen, der uns plötzlich fragte: „Sagt mal, ihr seid nicht zufällig die, die im München-Venedig-Forum (–> Foren-Link) nach Schnee gefragt haben?“ Was für ein Zufall: der BitPoet Christian aus dem Forum. Was für eine schöne Begegnung. So klein ist die Welt 😀
Wie wird es weiter gehen? Werden die Protagonisten dieser Erzählung ihr Ziel erreichen? Oder scheitern? Oder abstürzen und verrotten? Lesen Sie mehr, wenn es bald heisst:
„Traumpfad: als Anfänger über die Alpen?! Teil 2“
Hier noch ein paar weitere Fotos der ersten drei Tage: