Norwegen – Mit Sack und Pack auf dem Olavsweg Teil III
Tag 6
Am sechsten Tag unserer Wanderung brachen wir früh auf. Vorher fragten wir den Hüttenwart, ob er uns einen Tipp geben könnte, wo wir am Abend unser Zelt aufschlagen könnten. Er empfahl uns eine Stelle, die kurz vor der in unserem Wanderführer markierten Giraffenstatue gelegen ist. Mal wieder ging es für uns an der E6 entlang. Irgendwann wurde der Weg zu einem Waldpfad, der uns zur Pilgerherberge Sygard Grytting führte. Dort haben wir uns einen Stempel für unseren Pilgerausweis geholt, nachdem Vika sich einen dicken blauen Fleck holte, weil das große und schwere Eingangsgatter nicht richtig befestigt war und ihr auf das Bein knallte. Aua!
An der Hütte legten wir am schönen Innenhof eine kurze Rast ein.
Wieder auf dem Weg erreichten wir nach zehn Kilometern eine Hütte des norwegischen Tourismusverbandes. Diese ist wunderschön an einem Felsvorsprung gelegen und wirkte sehr einladend. Da wir aber noch genügend Energie hatten und das Wetter auf unserer Seite war, beschlossen wir weiter zu ziehen. Nur einige Kilometer vor der Giraffe trafen wir das belgische Paar. Kurz darauf erreichten wir ‚unseren‘ Zeltplatz und trennten uns hier von unseren beiden Mitpilgern. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass dies unsere letzte Begegnung sein sollte.
Unser Zeltplatz war der Inbegriff eines Naturerlebnisses. Mitten im Wald auf einem Berg gelegen und kilometerweit von der nächsten Ortschaft entfernt. Ob wir nachts wohl Besuch von Elchen bekommen würden? Oder von Bären?
Tag 7
Die Nacht verlief ruhig, ohne Elche und Bären 😉 Und auch der Weg war zunächst sehr schön. Wer nun, und wieso, dort diese Giraffenstatue in den Wald gesetzt hat, wissen wir nicht. Ein tieferer Sinn war nicht zu erkennen. Zu unserem Leidwesen ging es aber schon bald auf eine breite Schotterstraße, die in direkter Nähe parallel zur E6 führte 🙁 Reizarm trampelten wir also wieder mal kilometerweit an der schönen Natur vorbei. Um die Stimmung zu unterstreichen fing es dann auch noch an zu regnen. Aber so richtig. Am Ende der Etappe ging es dann doch noch einmal in den Wald. Was aber jetzt auch nicht so ganz spitze war, denn der Weg war bis über Kopfhöhe sehr zugewuchert und so streifte man das ganze Wasser der Pflanzen ab und unsere Klamotten waren nach kurzer Zeit so klitschnass, dass das Wasser von der Hose über die Socken in die Schuhe lief. Deutlich schmatzend gab es bei jedem Schritt eine Zwischenzehenspülung 😀
Am Ende des Tages erreichten wir einen kleinen Campingplatz, der zwar nicht wirklich günstig war, dafür aber ziemlich dreckig. Wir gönnten uns sogar, in der Hoffnung die Moral dadurch wenigstens etwas hoch zu halten, eine Tiefkühlpizza und jeweils ein Acht-Euro-Bier, aber all das konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass der Olavsweg mal so gar nicht das war, was wir uns vorher vorgestellt hatten. Wir wollten Natur erleben und nicht auf der Straße daran vorbei laufen. Wir wollten Einsamkeit und nicht das allgegenwärtige Rauschen der Autos und LKWs. Hinzu kamen die für unser Budget immens hohen Preise, die das Durchhalten auch finanziell schmerzhaft machten. Das einzige, was uns am Olavsweg noch festhielt, war das schöne Dovrefjell, was wir demnächst erreichen würden. Wir hofften, dass sich dort ausreichend schöne Zeltmöglichkeiten bieten würden, denn die Übernachtungspreise in den dortigen Hütten sind laut unserem Wanderführer noch deutlich teurer. Total hin und her gerissen begaben wir uns nass zu unseren nassen Klamotten ins Zelt, und schliefen in großer Verzweiflung ein.
Tag 8
Am nächsten Morgen stellte Vicky beim Abbau des Zeltes fest, dass ein Stück der Befestigungsriemen lose geworden ist. Ein kurzer sanfter Zug brachte die Befestigung vollkommen zum Reißen. Blöderweise hatte sich genau die Naht gelöst, die diverse Riemen zur Stabilisierung des Zeltes zusammenhielt und ohne die das Zelt nicht mehr aufgebaut werden konnte. Ein Zeichen auf dem Olavsweg!? Jetzt war guter Rat teuer…
Aus Mangel an Alternativen blieb uns nichts anderes übrig, als unsere nassen Klamotten und Schuhe anzuziehen und zum nächsten Ort zu laufen, wo wir den Zug zurück nach Berkak nehmen konnten. Dieser fuhr schon mittags und so mussten wir ohne Frühstück und mit schnellen Schritten aufbrechen. Neun km lagen vor uns und es ging die ersten drei km davon steil bergauf. Also hieß es Zähne zusammen beißen und Gas geben. Danach ging es ca. drei km steil bergab, bis wir den Olavsweg so beendeten, wie wir ihn begonnen haben: kilometerlang über den Asphalt der E6.
Das fehlende Frühstück machte sich bald bemerkbar und unsere Kräfte schwanden nur so dahin. Aber die Abfahrtszeit des Zuges ließ keine Pause zu. Total abgekämpft erreichten wir eine Minute vor Abfahrt den Bahnhof in Otta. Die Qual hatte sich dann wenigstens doch gelohnt. Im Zug gab es zum Glück einen Bordkiosk, bei dem wir uns Zimtschnecken und Snickers besorgten und gierig verschlangen.
Hier fassten wir auch den Plan, das Dovrefjell mit Hermis zu besuchen und dort mit Tageswanderungen das Fjell zu erkunden. Außerdem durchströöömten uns tausende Ideen bzgl. unserer Weiterreise, um so die Schönheit Norwegens zu entdecken. Leider hatte der Olavsweg einen bitteren Geschmack hinterlassen und so freuten wir uns tierisch darauf, uns unseren eigenen Weg zurecht zu legen.
Vom Bahnhof in Berkak liefen wir noch acht Kilometer zum Campingplatz. Dort angekommen, erwartete uns Hermis, glänzend und leuchtend in den warmen Sonnenstrahlen. Unsere Füße waren vollkommen aufgeweicht und mit Blasen übersät (mit nassen Socken in nassen Schuhen zu laufen sollte man sich gut überlegen).
Wir waren wieder zu Hause, erschöpft aber glücklich. Schon am nächsten Tag sollte unser Weg ins Dovrefjell führen, wo wir Moschusochsen zu sehen erhofften und vielleicht endlich mal einen Elch.