Norwegen – Mit Sack und Pack auf dem Olavsweg Teil II
Tag 4
Trotz eines reichhaltigen Mahls am Vorabend, konnten wir beide nicht lange und tief schlafen und starteten den nächsten Tag bereits recht früh, für unsere Verhältnisse 😀
Nach dem Zeltabbau gab es zum Frühstück im Wasser aufgeweichte Haferflocken. Ein richtig abartiges Outdoor Essen 😀
Aber als Pilger muss man bekanntlich dankbar sein.
Wir stiefelten munter los und liefen ein langes Stück über einen schönen Waldweg, immer parallel zur E6.
Bald wurde der wunderschöne Weg wieder zu einer langen Asphalt-Etappe 🙁 Aber als High-Tech-Pilger, die ohne Strom auskommen müssen, haben diese dummen Bäume und diese schreckliche Natur wenigstens keinen Schatten mehr auf unser Solarpanel geworfen, sodass wir wenigstens unsere Handys gut aufladen konnten 😉
An einer Stelle waren wir uns bzgl. des weiteren Weges nicht sicher, da wir die Markierung nicht mehr entdecken konnten. Und so irrten wir ein paar Minuten umher, bis uns ein älterer Herr ansprach, zunächst auf norwegisch, und sich anschließend große Mühe gab, mit uns in englischer Sprache zu kommunizieren. Er zeigte uns erst den richtigen Weg, dann aber lud er uns auf Kaffee und Eis zu sich in sein Haus ein. Kaffee und Eis? Na, wer kann da schon „Nein“ sagen? Zunächst etwas mißtrauisch (wer hat als Kind nicht beigebracht bekommen, dass man dem fremden Onkel mit den Bonbons nicht so einfach folgt) folgten wir ihm in sein wunderschönes großes Haus.
Er ist Milchbauer und erzählte uns, dass heiße Sommer gut sind, da dann die Milchpreise aufgrund der Nachfrage nach Milcheis hoch sind. Somit unterstützen wir die norwegischen Milchbauern dadurch, dass wir beim Eis ordentlich zulangten 😉 Wir quatschten, aufgrund der Sprachbarriere ab und zu mit Hand und Fuß, zwei Stunden lang, bis dann seine Tochter und sein Enkel aus Trondheim ankamen. Sie erzählte uns, dass das Wetter im Dovrefjell derzeit super ist und so machten wir uns frohgemut wieder auf den Weg.
Nach einem kurzen Stück durch einen tollen Wald ging es wiedermals auf Schotter- und Asphaltstraßen… wo blieb nur das Outback und die wundervolle abgeschiedene Natur, die man sich immer vorstellt, wenn man an Norwegen denkt, fragten wir uns schon deutlich genervt von all dem Teer und Schotter unter unseren Füßen.
Nach einiger Zeit erreichten wir in einer Siedlung einen kleinen Picknickplatz, den wir zu einer kurzen Rast und zum Abkleben von Vickys Zehen nutzen.
Als wir gerade wieder aufgebrochen waren, entdeckten wir hinter uns zwei Wanderer mit großen Rucksäcken. Na, ob das wohl etwa auch Pilger waren? Wir blieben kurz stehen und warteten auf das Pärchen. Und tatsächlich: es waren zwei Pilger aus Belgien, die ebenfalls mit Zelt unterwegs waren. Sie heißen Ksenia und Koen und waren auf dem Olavsweg unterwegs. Kurzerhand liefen wir gemeinsam weiter und tauschten uns über die aktuelle Wanderung und über Wanderungen aus der Vergangenheit aus. Vor allem Koen hatte schon sehr viele Fernwanderungen in verschiedenen Ländern gemacht. So hatten wir viel zu erzählen und die Zeit und Kilometer verflogen nur so. Kurz vor Ende der Etappe ging es nochmal in einen Wald und dann steil hinauf zu einem Gapahuk mit Feuerstelle und wundervoller Aussicht über das Gudbrandsdal.
Unsere Weggefährten beschlossen an der Hütte zu bleiben, während wir noch ein paar Kilometer weiter bis zur Stabkirche von Ringebu liefen. Aber es war ja auch relativ sicher, dass wir uns noch desöfteren über den Weg laufen würden.
In Ringebu angekommen hatte die Kirche leider schon geschlossen. Da wir uns die Kirche aber sehr gern ansehen würden, beschlossen wir, in der Nähe des Städchens auf Zeltplatzsuche zu gehen. Da kam der etwas skurrile Kioskbesitzer ins Spiel: da sein Schild mit der Aufschrift „Diplom Eis“ uns sehr anlockte und wir den Milchbauern natürlich auch unterstützen wollten, begaben wir uns zu ihm und kauften erstmal Eis und Cola, um unsere Reserven wieder aufzufüllen. Er erzählte uns beiläufig einige skurrile Geschichten und berichtete von seinen Werbestrategien. Auf Nachfrage gab er uns heimlich den Tipp, wo wir unser Zelt aufstellen könnten. Dem folgten wir und fanden eine ruhige und erholsame Oase, unweit der schönen Stabkirche. Was für ein aufregender Tag!
Hier noch ein paar weitere Bilder von unserem vierten Wandertag:
Tag 5
Wir begannen den neuen Tag ohne unser obligatorisches Knäckebrot-Frühstück, sondern wollten erstmal einen Supermarktbesuch erledigen, wo wir uns mit köstlichen und gesunden Lebensmitteln versorgen konnten. Insbesondere waren wir scharf auf Milch, denn Haferflocken mit Wasser waren sicherlich eine Erfahrung wert, diese muss man aber nicht unbedingt wiederholen. Zuvor besichtigten wir die Stabkirche von Ringebu, die wirklich ganz besonders schön und sehenswert ist.
Im Supermarkt benahmen wir uns wie zwei Waldmenschen, die seit Wochen nichts mehr gegessen hatten: wir kauften alles, was glänzte und nach Zucker aussah (zugegeben, ein paar gesunde Sachen waren auch dabei). So mampften wir fröhlich unsere milchigen Haferflocken an einem Rastplatz vor dem Supermarkt, belegten uns Baguettes für unterwegs und stellten dann fest, dass wir eigentlich schon satt waren und das Zeug zu schwer war, um es noch mitzuschleppen. So verschenkten wir das bloß angebrochene Stück Wassermelone an ein Pärchen, welches in der Nähe saß und uns neugierig beobachtete. Das Stückchen Hefe, welches wir aufgrund unserer mangelnden Norwegisch-Kenntnisse versehentlich statt Butter gekauft hatten, wurden wir allerdings nicht los und mussten es schweren Herzens entsorgen.
Wenige Minuten später trafen wir auch Ksenia und Koen wieder, die sich im lokalen Outdoorgeschäft eine neue Gaskartusche gekauft hatten. Wir unterhielten uns ein paar Minuten, aber da wir noch Abwaschen mussten, haben sie sich schon vor uns auf den Weg gemacht. Es ging, wie sollte es auch anders sein, über geteerte Straßen weiter und erstmal steil bergauf. Glücklicherweise ging ein leichter Wind, sodass uns die aufsteigende Hitze vom Asphalt nicht gänzlich durchgebraten hat. Irgendwann wurde aus der Asphaltstraße zumindest mal wieder eine Schotterstraße. Auf dieser entdeckten wir nach einigen Kilometern ein Zeichen, welches uns die Belgier hinterlassen hatten: how sweet <3
Es ging weiter über Schotter und bis auf eine kleine Schlucht mit einem wilden Fluß gab es leider wieder viel zu wenig Natur zu bestaunen. Die einzige, fast allgegenwärtige Natur waren die recht aggressiven Mücken. Diese waren nicht nur so zahlreich vorhanden, nein, sie sind auch so groß, dass sie ohne Probleme durch T-Shirts und sogar durch lange Hosen durch stechen können. Nach einiger Zeit wechselte Schotter wieder zu Asphalt und wir liefen einige Kilometer direkt über den schmalen Seitenstreifen der E6. Die Autos und LKWs zischten knapp an uns vorbei. Nicht gerade idyllisch. Die Stimmung näherte sich allmälig einem Tiefpunkt und vor allem Deedee war schwer genervt: man sieht das schöne Tal und schöne Wälder und schöne Berge, aber man läuft immer in direkter Nähe zur Bundesstraße E6 und das hautsächlich auf Asphaltstraßen und breiten Schotterwegen. Dazu ist alles unglaublich teuer. Wir hatten uns das wirklich ganz anders vorgestellt.
Wir erreichten das Pilgerzentrum Dale Gudbrands Gard, wo wir wieder auf Ksenia und Koen trafen. Sie nutzen hier das Angebot des kostenlosen Tees und Kaffees. Wiedermals wurde geschnackt und sich ausgetauscht. Hier entstand auch dieses Selfie:
Während die Beiden dann noch um 18 Uhr loszogen, entschieden wir uns, an diesem Tag Luxuspilger zu werden und gönnten uns ein Doppelzimmer. Das war die beste Entscheidung, um unsere geschundenen Körper zu schonen. Wir verdrückten unser lecker belegtes Baguette, tranken Tee und kuschelten mit dem Herbergs-Hund. An diesem Tag dachten wir das erste Mal darüber nach, den Bus nach Dovre zu nehmen, von wo wir in das Dovrefjell aufbrechen würden und wo wir uns endlich das Stückchen Natur erhofften, was uns der Pilgerweg bisher vorenthalten hatte. Wir fragten uns, ob die Pilgerschaft auf dem Olavsweg für uns das Richtige war. Denn so wirklich viele Mitpilger trafen wir aufgrund des Zeltens nicht und die Strapazen, die wir durch das Schleppen erlitten, wurden nichtmals durch ein schönes Naturerlebnis belohnt. Voller Gedanken und Zweifel schliefen wir dennoch ein und erhofften uns einen Lichtblick am nächsten Tag.